Samstag, 15. September 2012

Abschied von Nicole

Leute! Dieses Jahr ist noch längst nicht zu Ende, und wir hatten mal wieder eine einschneidende Veränderung im Team.
Unsere FSJ-lerin Nicole hatte gestern ihren letzten Tag. (FSJ bedeutet "Freiwilliges soziales Jahr".) Das war für unsere Gefühlswelt nicht so der Bringer! Aber wir haben trotz der Trauer versucht zu lächeln, und ich habe mal wieder eine feurige Rede gehalten; ich habe Nicoles Einsatz gelobt und gesagt, dass sie im Team nicht mehr wegzudenken ist, und dass ihre Fröhlichkeit so manche Tränen getrocknet hat.
Ich fand an ihr besonders toll, dass sie so offen auf die Bewohner zugegangen ist und aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht hat. Was mich betrifft: ihre Kuschelbereitschaft hab ich ziemlich in Anspruch genommen, und wir haben beinahe wie Freundinnen über Familie, Männer, die Zukunft - was wir uns so erträumen - gequatscht! Und in der Weihnachtszeit sind wir über den Spandauer Weihnachtsmarkt gebummelt, und wir haben gebrannte Mandeln gefuttert...
Stern - ich vermiss deine Luftküsse, deine beruhigende Art, und überhaupt deine Gegenwart! Aber ich weiß, am Erntedankfest im Johannesstift werden unsere Tränen rollen, wenn wir uns in die Arme schließen!

So! Jetzt hab ich mal geschrieben, was mir Nicole wert war - und ist!
Aber Leute, das heißt nicht, dass die anderen Betreuer doof wären und ich denken würde, och nee, die schon wieder! Es ist jeder auf seine Art toll, und deshalb sitze ich nicht in meinem Zimmer und trauere den ganzen Tag herum, sondern ich denke: "So! Auf zu neuen Ufern!"

Sonntag, 2. September 2012

Meine Super-WG

Leute! Heute will ich etwas loswerden, was ich schon länger auf dem Herzen habe.
Ihr wisst ja, dass ich mit anderen Rolli-Fahrern in einer Wohngruppe lebe. Das kann man natürlich nicht alleine wuppen; wir brauchen deshalb Betreuer. Bei uns macht das ein ganzes Team von tollen und liebevollen Betreuern. Die kochen für uns, die organisieren Reisen, und sie helfen bei allem. Also, bei mir läuft der Tag so ab:
Um 8 Uhr kommt eine von meinen "Sonnen" und macht erstmal das Radio an. Dann je nach Bedarf kommt Duschen oder Waschen, danach werde ich angezogen (ich kann mir aber selbst aussuchen, was ich anziehe), und dann gibt es Frühstück. Dann schiebt mich  jemand zur "Macherei"; das ist so eine Art Förderstätte, bzw. Tagesstrukturstätte, wo allerlei angeboten wird. Ich habe da schon ein Tagebuch angefangen, und ich habe mir eine Geschichte ausgedacht und bei einem Drehbuch für einen Film mitgemacht.
Nach der Macherei kommt eine meiner Wohngruppen-Sonnen und bringt mich zurück in unsere WG-Wohnung. Dann werde ich erstmal gefragt: "Wie war's?", und dann setzen wir uns ins Wohnzimmer, ich kriege die Füße losgeschnallt und dann wird erzählt. Und dann sagt meine WG-Sonne: "So, ich leg dich mal hin!" Und ich werde auf mein Bett gelegt, und mein Tonus geht sofort runter. Dann sagt die WG-Sonne: "Willst du Lores Chor hören, oder einfach Antenne Brandenburg?" Meistens entscheide ich mich für Antenne - ich finde die Schlager immer so beruhigend, da kann man so wegdösen.
Wenn ich meine Siesta beendet habe, kommt meine WG-Sonne und fragt: "Na, wieder frisch?" Und ich sage: "Jaaa!" Und dann kochen wir irgendwas Schönes. Meistens kommen dann Tilli, Kerstin und Sandra (meine Mitbewohner und echte Freunde, die ich "Sterne" nenne) auch aus ihren Werkstätten zurück, und wir tauschen uns aus!
Wir dinieren in großer Runde, und hinterher wird die Flimmerkiste angemacht. Manchmal, wenn ich gerade mal wieder was auf der Seele habe, dann machen wir einen Frauen-Talk bei Kerstin oder Sandra oder bei mir.
Irgendwann werde ich in sanfte Träume geschickt - mit Musik, und zwar meistens von Lores gutem Chor.
  Ihr seht, dass meine WG-Sonnen so einiges leisten! Es ist toll, dass die immer in jeder Situation die Ruhe bewahren und so gutgelaunt sind!
Dabei ist das nicht immer so leicht. Da wird z.B. einfach eine Wohngruppe dichtgemacht, und die  Betreuer werden ohne Vorwarnung in andere Gruppen geschickt! Das ist bei uns neulich im Havelland bei einer anderen Gruppe passiert, und ich war geschockt. Ich hoffe, dass mein Betreuerteam so etwas nicht durchmachen muss und dass alles so homogen bleibt, wie es ist.

Samstag, 18. August 2012

Mein Gewitter im Kopf


Leute! Ihr wisst vielleicht nicht, dass Behinderte ihre Gefühle nicht so ausdrücken können wie normale Menschen. Ich meine damit nicht die Gefühle Freude, Trauer, Wut, sondern das Gefühl Angst. Um das mal etwas genauer zu definieren: Ich kriege manchmal ausgerechnet bei klassischer Musik Angst. Wenn die Geigen so hoch rauf gehen, oder wenn im Chor irgendetwas bedrohlich klingt, oder wenn es so klingt, als ob gleich jemand sterben würde, dann spüre ich, wie mein Kopf innerlich wehtut. Und wenn das passiert, dann muss ich kichern. Das ist kein normales Kichern, sondern so ein ängstliches Kichern, und ich kann das nicht unterdrücken - auch nicht, wenn man sagt: "Entspann dich".
Wenn ich dann kichere, dann ist das wie ein Befreiungsschlag. Da löst sich die Spannung in meinem Kopf, und dann denke ich „So, alles wieder gut!“
Das heißt, auch bei sogenannter moderner Musik kriege ich die Krise: Lore und ich waren nämlich mal in einem Klavierabend, und da hat der Pianist auf dem Flügel herumgetreten und gehauen, und in meinem Kopf brach dieses  Gewitter los. Wir haben in der Pause fluchtartig diesen Ort verlassen, aber als wir nochmal an einem anderen Abend dort waren, wurde ich verkrampft, sobald Lore mich in den Saal schob, und dann war das Gekicher vorprogramiert, obwohl nur Schubert gespielt wurde… Ich bin dann da nicht nochmal hingegangen!
Also Leute, wenn ihr in Konzerten Behinderte seht, die kichern, dann wisst ihr, dass bei denen gerade ein Gewitter im  Kopf losgeht, und wenn ihr denkt, der hört nicht richtig zu, - ganz im Gegenteil! Die Musik löst bei ihm das Gewitter aus!
Ich gehe aber trotzdem total gern in klassische Konzerte – und übrigens: bei Popmusik oder Oldies ist der Himmel in meinem Kopf blau!

Samstag, 21. Juli 2012

Mein Leben mit Behinderung

Leute! Ihr denkt vielleicht, Behinderung ist todtraurig! Mit diesem Vorurteil möchte ich heute aufräumen!

Manchmal denke ich schon: "Mann, dieser idiotische Tonus!" - Zur Erklärung: Bei aufregenden Sachen wie Besuch oder Sommerlager oder Umzug oder Konzert geht meine Körperspannung in unermessliche Höhen, und ich kann nichts dagegen unternehmen. Aber dann hab ich ja Leute, die versuchen, meine Körperspannung zu reduzieren - das gelingt nur leider nicht immer. Aber irgendwann sagt dann mein Kopf: Runter damit! Tief atmen!! Und dann werde ich allmählich ruhiger. Und was mich auch manchmal nervt, ist, dass ich auf Hilfe angewiesen bin und nicht einfach mal mit dem Bus nach Spandau fahren kann und einfach mal allein bummeln.
So, und jetzt nach dieser Trauerpredigt kommt mal das Positive an meiner Behinderung!
Es ist toll, dass ich überall - in allen Schulen und Einrichtungen, wo ich bisher war - so liebevolle Menschen kennengelernt habe! Und was auch ganz wichtig ist: Als behindertes Kind macht man Dinge, die andere Leute nicht machen können: ich zum Beispiel denke mir  Dialoge aus und spreche die sozusagen auf Band. Ich spreche beide Rollen; oft oder fast immer nehme ich Leute, die ich gut kenne und die meine Kragenweite sind. Oder ich führe mit mir selber Dialoge, zum Beispiel wenn ich beim Arzt bin, da beruhigt mich das, oder bei etwas Schlimmem, wo mein Kopf erstmal mit klarkommen muss.
Deswegen mache ich auch gern bei anderen Leuten "lange Ohren", oder wenn ich im Café oder sonstwo in der Nähe von Paaren sitze. Mama sagt immer, "Mensch, hast du aber Luchsohren"! Ich verstehe wirklich immer jedes Wort! Überhaupt dreht sich meine Freizeit gezielt ums Hören - und zwar höre ich besonders gern Chormusik, aber auch Oldies, Abba, überhaupt Partyhits! Ihr denkt wohl: "Mann, das Clärchen ist ein gerngesehener Gast auf Parties!" Ja, aber ab und zu muss sich die Partymaus Clärchen bei Mozart entspannen...
Also Leute - wenn ihr Behinderte kennt, habt keine Berührungsängste! Die sind sehr sensibel und offen für jedes nette Wort! Mitleid ist absolut fehl am Platz!

Sonntag, 11. März 2012

Das große Warten

So, Leute, ihr denkt vielleicht, Clara ist nicht mehr da; aber da habt ihr euch geirrt! Ich bin sowas von da! Ratet mal, warum.
Vor sechs Wochen saß ich auf glühenden Kohlen. Anna war am Samstag in die Klinik gekommen; die Geburt sollte eingeleitet werden, und das große Warten nahm seinen Anfang. Ich dachte "Warum rufen die denn nicht an???" Aber Lore meinte: "Ach ja, die rufen schon noch an; aber jetzt will Anna erstmal ihre Ruhe haben. So eine Geburt ist kein Spaziergang."
Na gut, dachte ich, dann heißt es eben, nochmal warten, warten... Der Sonntag verging, und wir hörten immer noch nichts! Mama und Papa beruhigten mich, aber sie mußten mich unverrichteter Dinge in die Obhut der "Sterne" zurückgeben (mit "Sternen" meine ich meine tollen Betreuer in meiner Wohngruppe).
Der Montag kam. Ich ging wie immer in die Macherei, und ich hörte immer noch nichts. Ich dachte: "Leute! Allmählich ist meine Geduld zum Zerreißen gespannt. Wo bleibt der Stammhalter denn?"
Aber als ich abends von Simon ins Bett gebracht wurde, kam der erlösende Anruf: "Anna hat Sonntagabend einen kleinen Jakob Christian zur Welt gebracht!" Ich jubelte natürlich los! Lore erzählte mir, dass sie mich nicht anrufen konnte, weil unser Telefon ausgefallen war. Ausgerechnet!
Wir fuhren dann am Donnerstag vormittags zu Anna in die Klinik und ich war fasziniert! Ich war total erstaunt, wie klein Jakob war. Hier ein Foto von Jakob und mir in der Klinik:

Inzwischen ist der kleine Spatz gar nicht mehr so klein, sondern er wächst und gedeiht und ist ein richtiges rundes Baby!
Ich sehe Jakob immer, wenn ich die elterliche Behausung mit meinem Besuch beehre; aber Anna war mit Jakob auch schon im Stift.
So Leute, das war mein Blog über die heiß ersehnte Geburt, und jetzt sind wir in meinen Augen so eine richtige Großfamilie!

Sonntag, 8. Januar 2012

Die Geburt rückt näher!

Hi, Leute!
Ihr habt ewig nichts von mir gehört - ich bin aber noch im Lande! Es war eine Menge los, der Weihnachtsstress hat die Gemüter ein bißchen aufgewühlt, aber jetzt ist das vorbei.
Jetzt wühlt was anderes die Gemüter auf (und vor allem mein von Natur aus sensibles Seelenkostüm): Anna kriegt in zehn Tagen ihren Sohn! Das ist natürlich das Gesprächsthema Nummer Eins!
Ich freue mich total, aber ich mache mir als Tante auch so meine Gedanken, ob das alles klappt mit dem kleinen Mann. Ich meine ja, daß alles gut geht, aber so eine Geburt ist kein Sonntagsspaziergang, die kann man nicht so einfach mal wegstecken. Aber die junge Mutter wird das schon packen.
Wir wollen sie in der Klinik besuchen, wenn das Baby da ist, und ein bißchen beruhigend auf den sicher aufgeregten Ehemann einwirken... (Falls mein Tonus vor lauter Aufregung nicht so hoch ist, daß ich gar nicht auf den Ehemann beruhigend einwirken kann!) Naja, mal gucken...

So, was war denn sonst noch los?
Wir hatten coole Weihnachten! Um das genauer zu definieren - Großfamilienweihnachten! Also, Anna plus Mann, Dietrich plus Freundin, Charlotte beinahe mit Freund, der aber dann leider verreisen mußte, und die Restfamilie komplett. Und nächstes Weihnachten sind wir eine noch größere Großfamilie - Charlotte mit Mann, Anna mit Mann und Nachwuchs, Dietrich vermutlich mit Anhang, und meine Wenigkeit und Mama und Papi!

Leute - gründet Großfamilien, das ist soo schön!